Griechenland - unser Corona Camp

23.03.2020

Wir sitzen in unserem gemütlichen Bus, essen frisches selbst gebackenes Sauerteigbrot, hören die Wellen am nahen Strand rauschen und lauschen gleichzeitig dem vielstimmigen Konzert der Frösche auf der anderen Seite, die zu dutzenden in einem ausgedehnten System aus Bächen, Seen und Schwemmwiesen hocken. Wir stehen seit nun schon 12 Tagen an ein und demselben Ort auf dem Peloponnes westlich von Patras an der Küste mit Blick auf die Inseln Kefalonia und Ithaka. Ja, wir haben wahrlich einen paradiesischen Ort gefunden. Hinter uns erstreckt sich ein riesiges Waldgebiet, ein Nationalpark, in dem sich Schirmpinien über kunterbunt blühenden Blumenwiesen, üppigen Salbeibüschen und summenden Bienenvölkern leise und bedächtig im Küstenwind wiegen. Zwischen uns und dem Wald sonnen sich unzählige Wasserschildkröten auf gemütlichen Sonnenplätzen aus Schilf und Schlamm am Ufer eines Baches, ein unberührt wirkenden Ökosystem, was unseren Erdeckergeist weckt. Vor zwei Tagen haben wir uns auf eine Erkundungstour mit unserem Stand-Up-Paddling Board (SUP) begeben und sind dem Flusslauf ca. 4 km gefolgt. Links und rechts säumen dichte Schilfbänder und immer wieder ins Wasser gestürzte Bäume das Bild, ein perfekter Lebensraum für zahlreiche Amphibien, Insekten und Vögel. Hier scheint die Welt im Gleichgewicht, alles existiert in Harmonie.

 

Und das erleben wir, während der Rest der Welt vollkommen aus den Fugen gerät! Wir schreiben März 2020, den Monat in dem sich das neuartige Coronavirus Covid-19 mit rasanter Geschwindigkeit in ganz Europa, ja in der ganzen Welt ausbreitet. Ursprünglich aus China kommend, ist in Europa zunächst Italien am schwersten betroffen. Nacheinander werden in Italien, Spanien, Frankreich und in vielen weiteren Ländern Ausgangssperren verhängt - seit heute auch in Griechenland. Jeden Tag werden neue Hiobsbotschaften in den Medien verkündet, man liest von immer mehr Infizierten und von etlichen weiteren Toten, von Maßnahmen die das öffentliche Leben weiter und weiter einschränken, ja in vielen Ländern vollständig zum Erliegen bringen. Die Weltwirtschaft erleidet massive Einbrüche, es gibt unendlich viele Einzelschicksale und bedrohte Existenzen. Die Menschen sind verunsichert und beginnen Unmengen an haltbaren Lebensmitteln, wie Nudeln und Konserven, aber anscheinend vor Allem Klopapier zu hamstern und in ihren vier Wänden aufzutürmen. Die Supermärkte werden leergekauft. Im Netz kursieren sogar Videos von regelrechten Schlägereien um Klopapier! Der Einzelhandel hatte in den letzte 3 Wochen einen Umsatz zu verzeichnen, der 3-4 mal so hoch war, wie sonst nur um die Weihnachtszeit!

Das alles geschieht, während wir hier in unserem kleinen Paralleluniversum mit 5 anderen Campern ein paradiesisches Stückchen Erde genießen. Insgesamt sind wir 12 Erwachsene und 11 Kinder. Das einzige was sich für uns verändert hat, ist dass unsere Mobilität quasi zum Erliegen gekommen ist. An freies Reisen ist im Moment überhaupt nicht mehr zu denken. Seit fast zwei Wochen stehen wir bereits hier, so lange wie noch an keinem Ort auf unserer bisherigen Reise und innerlich haben wir uns bereits auf viele weitere eingestellt. Niemand kann im Moment vorhersagen, wie lange dieser absolute Ausnahmezustand noch anhalten wird, wie lange es noch dauern wird bis wir uns wieder frei bewegen dürfen. Es könnte uns aber bei weitem schlechter gehen, wir haben das kristallklare Meer und einen ewig langen Sandstrand, Kletterfelsen und einen wunderschönen Wald durch den sich ein unberührter Bach schlängelt und ein daran angrenzendes Vogelschutzgebiet mit ausgedehnten Feuchtgebieten vor der Tür und super nette Menschen um uns herum. Es gibt sogar einen Wasseranschluss auf unserem kostenlosen Parkplatz! Vor Corona waren Malte und ich bei weitem mehr und länger sozial isoliert, standen fast immer allein und haben nur selten, eigentlich fast nie andere Reisende kennengelernt. Hier bildet sich nun eine kleine Gemeinschaft, in der jeder jedem hilft und gemeinsame Projekte umgesetzt werden. Gestern z.B. haben wir endlich eine richtige Toilette für unser Camp gebaut. Ein 1,2 m tiefes Loch wurde mit Holz von am Strand angespülten Holzpaletten ausgekleidet, ein richtiger Toilettensitz und Deckel gezimmert und das ganze abschließend noch mit einem spiralförmigen Gebilde aus langen Ästen und Mehrzweckplane zum Schutz vor unerwünschten Blicken verkleidet. Ein paar kleinere Supermärkte sind mit dem Fahrrad in ca. 30-40 min zu erreichen. Wir haben also wirklich alles was das Herz begehrt. Uns könnte es nicht besser gehen, während um uns herum die Welt zerbricht. Das ist alles total verrückt!