In Quarantäne

29.03.2020

Es ist und bleibt verrückt. Gestern ist mir klar geworden, dass wir womöglich im Moment die glücklichste und freieste Zeit unseres Lebens erleben! Und das, während gleichzeitig im Rest der Welt das absolute Chaos wegen des sich weiterhin rasant ausbreitenden Coronavirus Covid 19 herrscht!

 

 

Wir von einer inneren Stimme gerufen, wollte ich unbedingt an meinem Geburtstag am 10.03. in Griechenland sein. Am 09.03.2020 überquerten wir die Albanisch-Griechische Grenze am Grenzübergang Leskovik (AL) – Konitsa (GR). Dann zog es uns auf direktem Weg weit in den Süden. Nach nur 3 Tagen hatten wir noch nichts ahnend unseren Stellplatz für die nächsten Wochen, vielleicht sogar Monate gefunden!

 

Wir haben keine Ahnung, wie lange wir noch hierbleiben werden. Mittlerweile sind es schon 18 Tage, aber ich möchte keinen Tag davon missen! Wir stehen an diesem paradiesischen Ort zusammen mit 12 anderen super netten Menschen und ihren 11 Kindern, die ebenfalls mit ihren Wohnmobilen in Griechenland gestrandet sind. Der Strand vor unserer Haustür ist kilometerlang und wunderschön. Jeden Tag streift mindestens einer (meistens aber mehrere aus unserer Gruppe) den Strand entlang auf der Suche nach interessanten von den ewig wogenden Wellen angeschwemmten Fundstücken. Und was wir alles schon gefunden und daraus gebaut haben! Zunächst natürlich das Baumaterial für unsere Toilette, außerdem etliche Stühle und Holzpaletten, Damian und Mira haben mittlerweile sogar eine richtige Holzterrasse vor ihrem Düdo, dann Fischernetze, Schnüre und Seile aus denen sich einige von uns bereits sehr praktische Obst- und Gemüse-Aufbewahrungsnetze für unsere Camper gebaut haben, ein Kanu (welches heute leider bevor wir es richtig bergen konnten auf mysteriöse Weise wieder verschwunden ist), Schildkröten und Delfine und natürlich unzählige Muscheln und Steine aus denen ich Schmuck machen will. Es ist faszinierend und wunderschön die tausend verschiedenen Gesichter des Meeres zu beobachten. Jeder Tag ist anders, manchmal ist es absolut windstill und das Meer spiegelglatt und klar, dann ist es plötzlich so total diesig oder stürmisch, so dass man die eigentlich am Horizont liegenden Inseln nicht einmal mehr erahnen kann. An anderen Tagen türmen sich große Wellen schon sehr weit draußen auf und überspülen den ganzen Strand.

 

 

 

Normalerweise hätten dir diesen Ort vielleicht nach 4-5 Tagen verlassen und wären weitergereist. Jetzt richten wir uns aufgrund des immer noch herrschenden Ausgangsperre in Griechenland immer häuslicher ein, kommen richtig an, fühlen uns wohl. Wir kochen und essen mit den anderen Familien zusammen, gehen füreinander einkaufen, tauschen materielle Dinge, Ideen und Gedanken aus, passen abwechselnd auf die Kinder auf. Allen scheint es hier sehr gut zu gehen, alle sind glücklich. Immer wieder hat einer der Gruppe eine neue Projekt- oder Bau-Idee für das Camp. Mittlerweile haben wir neben unserer genialen Treibholztoilette, ein richtig tolles Beachvolleyball-Feld und gestern hat Guido angefangen eine „Schwitzhütte“, also quasi ein Dampfbad, am Strand zu bauen.

 

 

Die Tage vergehen schnell und wir haben so viele Ideen und Projekte die wir umsetzen wollen. Heute haben Malte und ich nach dem Frühstück einen langen Strandspaziergang gemacht, um Treibholz und Seil u.A. für unser Obstnetz zu sammeln. Es ist so toll, Zeit für solche Dinge zu haben. Mindestens eine Stunde haben damit verbracht ein schrecklich verheddertes Knäul aus Seilen und Fischernetz, welches mit Betongewichten tief im Sand verankert war, auszugraben, zu entknoten und Seil um Seil zu bergen, um diese für weitere Konstruktionen (vielleicht bauen wir daraus eine Schaukel!) zu verwenden. Eine einfache, ein bisschen stupide und trotzdem so befriedigende Arbeit! Mittags gab es dann an einer großen Tafel zusammen mit Mira, Damian, Nahuel, Jani und Ama Schweizer Älplermagronen, Makkaroni mit Rahm und Käse, geschmelzten Zwiebeln und Apfelmus und dazu frischen Salat – ein richtiger Schmaus im Sonnenschein. Der Abwasch danach war allerdings episch und dauerte eine gefühlte Ewigkeit! Aber wir haben ja keinen Stress hier… Zum Abschluss eines wunderschönen und erfüllten Tages wurden dann noch 3 Partien Beachvolleyball in der strahlenden Nachmittagssonne gespielt. Unsere Gruppe ist wirklich toll. Es ist, als würden wir uns alle schon lange kennen und wir alle sind einfach wahninnig dankbar dafür in dieser verrückten Zeit genau hier und zusammen zu sein.

 

 

 

Das alles geschieht, während im Rest der Welt die Lage immer mehr außer Kontrolle zu geraten scheint. In Italien und Spanien sterben immer mehr Menschen und das Militär muss bereits bei der Abholung der Leichen unterstützen. In den USA explodieren gerade die Fallzahlen neuer Infizierter, da Trump das Coronavirus viel zu lange unterschätzt hat, das amerikanische Gesundheitssystem in einem miserablen Zustand ist und unzählige US-Amerikaner keine Krankenversicherung haben. In Deutschland ist das öffentliche Leben ebenfalls fast komplett zum Erliegen gekommen, die meisten Menschen müssen von zuhause Arbeiten und gleichzeitig auf ihre Kinder aufpassen, weil alle Kitas und Schulen geschlossen haben. Viele befürchten dadurch einen Anstieg der häuslichen Gewalt. Man darf zwar noch nach draußen, das aber maximal zu zweit und man muss in Bewegung bleiben. Wenn man sich in einem Park auf eine Decke setzt, wird man kurze Zeit später von der Polizei aufgefordert weiterzugehen. Die Polizei ist in vielen Berlin und vielen anderen Städten und Gemeinden Deutschlands verstärkt unterwegs, um sicherzustellen, dass die Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus auch wirklich von den Menschen umgesetzt werden. Das ist es jedenfalls, was wir in den Nachrichten lesen und hören. Wenn wir es nicht wüssten würden wir von Alledem absolut gar nichts mitbekommen. Es ist ein absolut verrücktes Gefühl in einer für die Menschheit so einschneidenden Zeit so weit weg von allem zu sein. Wie kann es sein, dass unzählige Menschen in jedem Land der Welt gerade von Panik und Angst um ihre Existenz und ihre Gesundheit geplagt sind und wir hier im selben Moment eine der unbeschwertesten und glücklichsten Zeiten unserer Leben verbringen?