Little Paradise

25.01.2020

Wir sind immer noch an Tunesiens Mittelmeerküste westlich von Tunis. Dieses Land überrascht uns immer wieder mit seiner unglaublichen Vielseitigkeit! Vor kurzem waren wir noch von unendlichen Weiten und Sand soweit das Auge reicht in der Wüste umgeben. Jetzt stehen wir an der Küste inmitten einer welligen Hügellandschaft aus saftigem Grün. Hirten und ihre Ziegen- oder Schafsherden ziehen durch die Gegend, es gibt keine asphaltierten Straßen mehr, sondern nur noch holperige Schotterpisten. Alles, selbst das Wasser, wird mit Eseln transportiert. Wir haben seit Tagen kein anderes Auto gesehen. Die Zeit scheint hier langsamer zu vergehen und es ist still! Dieses Phänomen durften wir bereits in der Wüste erleben und waren von der absoluten Lautlosigkeit hypnotisiert. Hier ist es anders, man hört den Wind in den Blättern und das Meer in der Ferne rauschen, aber man hört keine künstlichen Geräusche! Keinen Motorenlärm, keine Flugzeuge am Himmel. Es ist traumhaft!

 

Bei unserer Routenplanung schauen wir uns regelmäßig Satellitenbilder an und entscheiden oft nach diesem visuellen Eindruck, ob wir einen Ort anfahren. So war es auch hier. Das Satellitenbild versprach einen riesigen Sandstrand vor einem ausgetrockneten, sandig wirkenden großen Flussdelta. Außerdem war dort eine Art Campingplatz mit dem Namen Little Paradise verzeichnet, wobei die Bilder eher auf ein wildes Strandcamp hindeuteten. Google war der Meinung, dass wir bis ca. 800 m an den Strand heranfahren und den Rest dann laufen müssten. Die Piste war ziemlich abenteuerlich, immer wieder stark von Regenfällen ausgewaschen und mit grobem Schotter und teilweise sehr großen Steinen bedeckt. Wir haben es auf ca. 1,5 km an den Strand herangeschafft und stehen hier etwas erhöht auf ca. 200 m über dem Meeresspiegel in einer wunderschönen Landschaft aus rund geschliffenen Felsen und grünen Büschen. Gestern sind wir hier angekommen und haben heute die Gegend zu Fuß erkundet.

 

Orte wie diesen sind heutzutage wirklich selten geworden und in Europa wohl kaum noch zu finden. Da keine richtige Straße in dieses Gebiet, bzw. an den Strand führt, ist die Gegend touristisch überhaupt nicht erschlossen und selbst die Einheimischen scheint es hier selten hinzuverschlagen. Man begegnet nur wenigen Leuten, die in einfachen Hütten in den Hügeln leben und ihre Schafe über die saftigen Weiden führen. In zwei Tagen haben wir kein anderes Auto gesehen. Wir müssen einen äußerst merkwürdigen, fast außerirdischen Eindruck bei den hier lebenden Menschen hinterlassen. Oft trauen sich die Menschen kaum uns anzuschauen, drehen sich dann aber immer noch einmal verstohlen um und bestaunen unser monströses Gefährt voller Neugier. Wir winken und grüßen dann immer und kriegen meist ein strahlendes Lächeln zurück geschenkt und der Bann ist gebrochen. Heute wurden wir fast eine Stunde lang von zwei Jungs umschlichen, wobei sich einer der Beiden immer näher an unsern Bus herangepirscht hatte und irgendwann anfing an unseren Fahrrädern zu spielen. Wir waren zuerst skeptisch und beobachteten die beiden genau, bis sie weiter ihres Weges gingen. Unser Misstrauen war aber völlig überflüssig wie sich später herausstellte! Der Junge kam nochmal zurück und überreichte uns eine Plastiktüte mit zwei duftenden selbstgebacken Broten! Immer wieder wird man von den Menschen überrascht und es ist einfach schön, wenn man sich willkommen fühlt. Danke kleiner Junge für das Brot!